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Immer noch Palmöl in Pommes, Chips und Co!

Weil im Zuge des Krieges gegen die Ukraine kein Sonnenblumenöl erhältlich war, griffen einige Lebensmittelhersteller auf Palmöl oder Palmfett zurück. Doch schon seit Sommer 2022 gibt es wieder ausreichend Sonnenblumenöl. Die Unternehmen verwenden aber weiterhin Palmfett bzw. Palmöl in ihren Produkten. Das zeigt unsere aktuelle stichprobenartige Untersuchung. Leidtragende sind die Verbraucherinnen und Verbraucher.

Pommes frites in Tüte

Das Wichtigste in Kürze

  1. Im Zuge des Krieges gegen die Ukraine kam es im Frühjahr 2022 zu Lieferengpässen bei Sonnenblumenöl. Einige Lebensmittelhersteller verwendeten für ihre Produkte daher Palmöl als Ersatz.
  2. Obwohl bereits seit August 2022 wieder ausreichend Sonnenblumenöl an den Märkten verfügbar ist, enthalten viele Lebensmittel weiterhin Palmöl bzw. Palmfett. Das zeigt eine von der Verbraucherzentrale Hamburg im April 2023 durchgeführte stichprobenartige Untersuchung. Teilweise werden die Produkte sogar in alten Verpackungen mit falscher Kennzeichnung verkauft, auf denen noch Sonnenblumenöl als Zutat ausgewiesen ist. ⇒ Zur Produktübersicht
  3. Die zuständige Lebensmittelüberwachung lässt Hersteller monatelang ohne strikte Vorgaben gewähren.
  4. Palmöl oder Palmfett ist im Einkauf kostengünstiger für die Unternehmen, hat jedoch einen höheren Anteil gesättigter Fettsäuren als Sonnenblumenöl und häufiger unerwünschte Fettschadstoffe.
  5. Von der Verbraucherzentrale Hamburg angeschriebene Anbieter wollen erst Mitte dieses Jahres oder sogar noch später wieder Sonnenblumenöl für die Herstellung ihrer Produkte verwenden.
Stand: 15.06.2023

Zu Beginn des Krieges gegen die Ukraine im Frühjahr 2022 kam es zu Lieferengpässen bei Sonnenblumenöl. Einige Lebensmittelhersteller griffen daher auf andere Öle zurück. Um das fehlende Sonnenblumenöl zu ersetzen, wurde meistens Palmfett oder Palmöl verwendet. Im Sommer 2022 fanden wir viele Produkte im Handel, auf deren Verpackungen zwar noch Sonnenblumen prangten, die aber längst kein Sonnenblumenöl mehr enthielten (zum Beispiel Pommes Frites, Kroketten und Chips).

Doch Expertinnen und Experten zufolge normalisierte sich die Situation schon in der zweiten Sommerhälfte des Jahres 2022 wieder. Sonnenblumenöl war in ausreichender Menge verfügbar. Seither können Unternehmen das Öl wieder ohne Probleme kaufen. Doch Produkte, die statt des ursprünglichen Sonnenblumenöls Palmöl enthalten, sind nach wie vor im Verkauf.

Palmöl weiter im Einsatz

Im April 2023 haben wir im Rahmen einer Stichprobe insgesamt 13 Produkte untersucht, bei denen im Sommer 2022 ein „Ölwechsel“ stattgefunden hatte. In 12 Lebensmitteln haben die Hersteller weiterhin Palmöl verarbeitet.

  • Agrarfrost Crazy Frites (Charge: mindestens haltbar bis 07.02.2025)
  • Agrarfrost Genießer Kroketten (Charge: mindestens haltbar bis 20.02.2025)
  • Agrarfrost Griddies (Charge: mindestens haltbar bis 17.01.2025)
  • Agrarfrost Knusper Wedges (Charge: mindestens haltbar bis 04.01.2025), sogar nur in Tüten, die falsch gekennzeichnet sind
  • Gut & Günstig Backofen-Frites Feinschnitt (Charge: mindestens haltbar bis 30.03.2025)
  • Gut & Günstig Backofen-Frites Wellenschnitt (Charge: mindestens haltbar bis 02.03.2025)
  • Gut & Günstig Backofen Kroketten (Charge: mindestens haltbar bis 28.01.2025)
  • K Classic Knusprige Chips Paprika (Charge: mindestens haltbar bis Juni 2023)
  • Speisezeit Cross Frites (Charge: mindestens haltbar bis 30.12.2024)
  • Ja! Kartoffeltaschen Frischkäse-Kräuter (Charge: mindestens haltbar bis 15.08.2024)
  • Ja! Kartoffeltaschen Spinat Mozzarella (Charge: mindestens haltbar bis 17.08.2024)
  • Nestlé Cini Minis (Charge: mindestens haltbar bis 02.2024)

Nur ein Produkt, die Gut & Günstig Chips for Friends von Edeka, waren wieder mit Sonnenblumenöl im Handel erhältlich.

Übrigens

Der Lebensmittelkonzern Nestlé hat die Rezeptur seiner Cini Minis schon Mitte letzten Jahres geändert und ist von Sonnenblumenöl auf Palmöl umgestiegen. Die Cini Minis mit Palmöl enthalten jetzt knapp viermal so viel gesättigte Fettsäuren wie das vorherige Produkt mit Sonnenblumenöl. Deshalb verschlechtert sich der Nutri-Score von „C“ auf „D“, die zweitschlechteste Bewertung bei dieser Nährwertkennzeichnung.
Aus Verbrauchersicht wäre es deshalb wichtig, so schnell wie möglich wieder zur alten Rezeptur zurückzukehren – vor allem auch deswegen, weil sich das Produkt explizit an Kinder richtet. Aber Nestlé lässt sich Zeit und hat uns mitgeteilt, dass eine Umstellung zurück zum Sonnenblumenöl erst für Ende des Jahres geplant ist. Wir vermuten, dass vor allem ökonomische Gründe dahinterstecken: Palmöl ist im Einkauf günstiger als Sonnenblumenöl, dadurch lässt sich die Marge steigern.

Palmöl günstiger im Einkauf, aber nachteilig für Mensch und Umwelt

Dass die Hersteller so lange Palmöl verwenden, dürfte in erster Linie wirtschaftliche Gründe haben. Palmöl ist günstiger im Einkauf, da die Ölpalme auf relativ kleiner Fläche einen hohen Ertrag liefert. Durch den Einsatz von Palmöl können Unternehmen ihre Rohstoffkosten senken und so ihre Margen erhöhen. Doch was sich für die Anbieter finanziell lohnt, hat für Verbraucherinnen und Verbraucher Nachteile.

Wird Palmöl bzw. Palmfett anstelle von Sonnenblumenöl verwendet, verschlechtert sich in der Regel der Gesundheitswert des Produkts. Denn diese haben einen höheren Anteil an gesättigten Fettsäuren, die ernährungsphysiologisch eher nachteilig sind. Außerdem können bei der Produktion von Lebensmitteln mit Palmfett in einem höheren Maße unerwünschte Fettschadstoffe entstehen, so zum Beispiel 3-MCPD-Fettsäureester (3-MCPD). Diese Stoffe sind möglicherweise krebserregend. Im Vergleich zu anderen Speiseölen ist Palmfett oder -öl meist höher mit problematischen Fettsäureestern belastet. 

Auch für die Umwelt ist die hohe Nachfrage nach Palmöl ein Problem: Für die Ölpalmenplantagen rund um den Äquator wird häufig der für Klima und Artenvielfalt so wichtige Regenwald zerstört.

Umstellung auf Sonnenblumenöl lässt auf sich warten

Wir haben die Hersteller oder Händler der untersuchten Produkte um eine Stellungnahme gebeten. Alle teilten uns mit, ihre Rezepturen zu ändern. Nestlé beispielsweise will „gegen Ende des Jahres“ wieder Sonnenblumenöl verwenden. Andere Anbieter nennen verschiedene Sommermonate als Umstellungstermin.

Dass sich die Sache so in die Länge gezogen hat und weiter zieht, sehen wir kritisch. Anderen Herstellern ist es gelungen, ihre Produkte auch während der Krise mit Sonnenblumenöl anzubieten.

Unscheinbarer Hinweis auf Palmöl

Da neue Verpackungen im Frühjahr 2022 so kurzfristig nicht besorgt werden konnten, griffen die Unternehmen auf noch vorhandene Beutel und Tüten zurück. So kam es im Rahmen der Umstellung von Sonnenblumenöl auf Palmöl zu falschen Kennzeichnungen und Auslobungen auf den Produkten. Sonnenblumenöl stand noch in der Zutatenliste, Illustrationen von Sonnenblumen waren weiterhin zu sehen und die Nährwerte passten nicht zum Produkt. Nur ins für das Mindesthaltbarkeitsdatum vorgesehene Feld ließen die Anbieter den Hinweis „enthält Palmöl statt Sonnenblumenöl“ drucken. Dieser war versteckt auf der Verpackungsrückseite, nicht immer sonderlich gut zu lesen und deshalb wenig verbraucherfreundlich, wie wir bereits im September 2022 kritisierten. Durch eine sogenannte Flexibilisierungsmaßnahme für die Lebensmittelkennzeichnung hatten die Hersteller bei der Deklaration ihrer Produkte allerdings freie Hand. Die Behörden mussten ihnen lediglich auf Antrag eine entsprechende „Ausnahmegenehmigung“ erteilen, was sie auch taten. Allein das Unternehmen LVG Lebensmittelvertriebs GmbH hatte über 100 Produkte im Portfolio – Kartoffelprodukte wie Pommes Frites, Kroketten und Chips etc. – die monatelang falsch gekennzeichnet waren.

Dass einige Unternehmen die „Flexibilisierung“  über alle Maßen flexibel gestalten, zeigt unsere im April 2023 durchgeführte Erhebung. Es lagen immer noch Produkte mit Palmöl in den Tiefkühlfächern der Supermärkte, auf deren Verpackung als Zutat Sonnenblumenöl deklariert war. Acht Monate nachdem wir die ersten Lebensmittel mit Öl aus Palmen statt Sonnenblumen gefunden hatten. Aus unserer Sicht viel zu lange für eine kurzfristige Ausnahme, die für außerordentliche Lieferengpässe beim Sonnenblumenöl gedacht war! Insgesamt fünf Produkte mit einer solchen falschen Kennzeichnung waren noch im Verkauf.

  • Agrarfrost Crazy Frites (mindestens haltbar bis: 25.10.2024)
  • Agrarfrost Genießer Kroketten (mindestens haltbar bis: 30.11.2024)
  • Agrarfrost Griddies (mindestens haltbar bis: 17.12.2024)
  • Agrarfrost Knusper Wedges (mindestens haltbar bis: 04.01.2025), sogar nur in falsch gekennzeichneten Tüten
  • Gut & Günstig Backofen-Frites Feinschnitt (mindestens haltbar bis: 31.01.2025)

Üblicherweise tragen Tiefkühlprodukte ein Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) von ungefähr zwei Jahren im Voraus. Hergestellt wurden die Produkte demnach wohl im Dezember 2022 / Januar 2023 – alle am gleichen Standort. Die Unternehmen Agrarfrost und die LVG Lebensmittelvertriebs-GmbH (verantwortlich für die Backofen-Frites von Gut & Günstig) sind mit der gleichen Adresse in Wildeshausen/Aldrup in Niedersachsen registriert.

Vorgaben der Behörde nicht streng genug und intransparent

Das für die Überwachung von Agrarfrost und LVG zuständige Veterinäramt des Landkreises Oldenburg trägt leider nicht zur Aufklärung des Sachverhalts bei. Mehrfach haben wir schriftlich um eine Stellungnahme gebeten, aber keine Antwort erhalten. Am Telefon wurde uns dann mitgeteilt, dass alles seine Richtigkeit hätte und die Befreiung von der richtigen Kennzeichnung notwendig für die Weiterproduktion der Betriebe gewesen wäre. Aus unserer Sicht hätte die Lebensmittelüberwachung vor Ort strengere Vorgaben machen und diese transparent zeitlich begrenzen müssen. Stattdessen hat das Veterinäramt die beiden betroffenen Unternehmen monatelang gewähren lassen, ohne den Verbraucherschutz zu berücksichtigen.

Umso merkwürdiger mutet es an, dass die LVG Lebensmittelvertriebs-GmbH kurz nach unserer Anfrage auf ihrer Website verkündet: „Wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, dass die Umstellung von Palmöl auf Sonnenblumenöl bereits für alle Produkte erfolgt ist und voraussichtlich bis Mitte des Jahres vollständig umgesetzt sein wird“.

Unser Fazit

Wir fragen uns, weshalb es so lange dauert, wieder von Palmöl auf Sonnenblumenöl umzusteigen. Seit Monaten ist das Pflanzenöl längst in ausreichender Menge am Markt erhältlich. Der Wechsel zum Palmöl zu Beginn des Krieges ging unseres Erachtens deutlich schneller vonstatten. Beim Weg zurück lassen sich die Hersteller hingegen Zeit. Und warum dürfen Unternehmen ihre Produkte monatelang in falsch deklarierten Verpackungen produzieren, bei denen noch immer Sonnenblumenöl als Zutat ausgewiesen wird? Aus unserer Sicht nutzen die Hersteller die Ausnahmesituation im Frühjahr 2022 zu ihren Gunsten aus. Verbraucherinnen und Verbraucher sollten beim Einkauf nach wie vor sehr genau hinschauen und auf die Zutatenliste achten.

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