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Pressemitteilung vom 17. Oktober 2016

Marktwächteraufruf: Wollen Versicherer teure Altverträge loswerden?

Verbraucherschützer gehen Hinweisen zu vorzeitigen Vertragsbeendigungen nach

Renten- und Lebensversicherer versuchen anscheinend Kunden zu bewegen, gut verzinste Altverträge vorzeitig zu beenden. Dem Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Hamburg liegen dazu Hinweise vor, die den Anbieter Neue Leben Lebensversicherung AG betreffen. Um festzustellen, wie sehr die Praxis in Deutschland verbreitet ist, bitten die Marktwächterexperten betroffene Verbraucher, Briefe von Versicherungsgesellschaften einzusenden, mit denen ihnen eine vorzeitige Vertragsbeendigung vorgeschlagen wurde.
 
„Renten- und Lebensversicherer scheinen Kunden loswerden zu wollen, die im Besitz von Altverträgen sind“, erklärt Sandra Klug, Leiterin des für Versicherungen zuständigen Hamburger Marktwächter-Teams. „Verträge von privaten Lebens- oder Rentenversicherungen, die vor 2005 abgeschlossen wurden, sind für Verbraucher lukrativ. Sie werden steuerfrei ausgezahlt und haben zum Teil Renditen, die sich mit ähnlich sicheren Finanzprodukten heute nicht mehr erwirtschaften lassen“, so Klug weiter.
 
30.000 Verbraucher erhalten Post von Versicherungsanbieter
Dem Marktwächter-Team liegt beispielsweise das Schreiben des Versicherungsanbieters Neue Leben an eine Verbraucherin vor, in dem zu lesen ist: „Über viele Jahre haben Sie uns einen wichtigen Teil Ihrer Altersvorsorge anvertraut. Dafür danken wir Ihnen.“ Weiter heißt es: „Ihre persönliche Situation, Ihre Ziele sowie Ihre finanziellen Wünsche haben sich vielleicht während der Vertragslaufzeit geändert. Haben Sie schon einmal darüber nachgedacht, sich Ihr Guthaben früher auszahlen zu lassen?“ Direkt unter dem Anschreiben wird die Summe genannt, die die Verbraucherin bereits jetzt stornoabschlagsfrei erhalten könnte, wenn sie sich von ihrem Versicherungsvertrag trennt. Ein Formular für die Auszahlung hat der Anbieter gleich beigefügt und bezeichnet die Offerte als Serviceangebot.
 
Auf Nachfrage beim Anbieter bestätigte dieser den Marktwächter-experten, 2016 30.000 dieser Schreiben an Kunden zu versenden. Dabei handele es sich um Kunden mit klassischen kapitalbildenden Verträgen oder fondsgebundenen Verträgen, die überwiegend vor 2005 abgeschlossen wurden und nach 12 Jahren Laufzeit steuerfrei ausgezahlt werden können.
 
Alte Verträge häufig lukrativ für Verbraucher
Nach einer ersten Einschätzung der Verbraucherzentrale Hamburg zu diesen Schreiben sowie weiteren Hinweisen liegen dem vermeintlich fürsorglichen Brief des Versicherers eigennützige Motive zugrunde. „Der Versicherungsvertrag, der im beschriebenen Fall aufgelöst werden soll, ist 20 Jahre alt“, so Klug. „Verträge aus dieser Zeit haben einen sehr hohen Rechnungszins von vier Prozent, der auf die Sparanteile der Versicherung gezahlt wird. Da die Vertriebs- und Abschlusskosten für die Police bereits von den Beiträgen der ersten Jahre abgezogen wurden, haben die Verträge eine Rendite, die sich mit ähnlich sicheren Finanzprodukten heute nicht mehr erwirtschaften lässt.“ Noch elf Jahre lang müsste die Neue Leben die hohen Zinsen weiterzahlen, wenn der Versicherungsnehmer seinen Vertrag nicht vorzeitig beendet. „Wir nehmen an, der Anbieter will mit Schreiben wie diesem teure Kunden loswerden. Das Interesse an der persönlichen Lebenssituation ihrer Versicherten scheint uns vorgeschoben“, erklärt Klug. 

Marktwächter bittet Verbraucher um Hilfe
Das Marktwächter-Team der Verbraucherzentrale Hamburg will herausfinden, ob und welche weiteren Versicherer derartige Schreiben verschicken und bittet Verbraucher um Mithilfe. „Je mehr Verbrauchererfahrungen uns zu den Geschäftspraktiken einzelner Versicherer vorliegen, desto wirksamer und gezielter können wir darüber aufklären“, erläutert Klug.
 
Verbraucher, die ein Angebot für eine vorzeitige Vertragsbeendigung von ihrem privaten Lebens- oder Rentenversicherer erhalten haben, werden gebeten, ihre Erfahrungen zu schildern und entsprechende Briefe der Versicherungsgesellschaft einzusenden – wahlweise per E-Mail an fmw@vzhh.de, per Fax an (040) 24832-2105 oder auf dem Postweg an die Verbraucherzentrale Hamburg, Marktwächter Finanzen, Kirchenallee 22, 20099 Hamburg.
 
Über den Marktwächter Finanzen 
Der Marktwächter Finanzen ist ein Projekt, mit dem der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) und die Verbraucherzentralen den Finanzmarkt aus Perspektive der Verbraucher beobachten. Hierfür werden Beschwerden und Beratungen von Verbrauchern aus allen 16 deutschen Verbraucherzentralen über ein Frühwarnnetzwerk systematisch ausgewertet. Zudem werden empirische Untersuchungen durchgeführt. So können Schwachstellen und Fehlentwicklungen erkannt, Verbraucher frühzeitig gewarnt und Aufsichts- und Regulierungsbehörden bei ihrer Arbeit unterstützt werden. Insgesamt untersuchen fünf Schwerpunkt-Verbraucherzentralen den Finanzmarkt: Baden-Württemberg (Geldanlage und Altersvorsorge), Bremen (Immobilienfinanzierung), Hamburg (Versicherungen), Hessen (Grauer Kapitalmarkt) und Sachsen (Bankdienstleistungen und Konsumentenkredite). Der Marktwächter Finanzen wird durch das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) gefördert. www.marktwaechter.de/finanzen


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