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Mikrofinanz – Geldanlage mit Sinn und ohne Risiko?

„Mit Mikrokrediten konnte C. einen Laden für gebrauchte Taschen in Lagos eröffnen. Mit den Einnahmen kann die alleinerziehenden Witwe die Schulbildung ihrer Kinder bezahlen“ – so und ähnlich wird bei Privatanlegern für eine Geldanlage im Sektor Mikrofinanz geworben. Doch wir raten, bei solchen Investitionen genau hinzuschauen.

Schule in Nigeria

Investitionen in Mikrofinanzierung gelten als krisensichere Geldanlage. Das Geschäft mit der einkommensschwachen Bevölkerung in Entwicklungsländern hat ein positives Image, weil die „Hilfe zur Selbsthilfe“ als sinnvolle Geldanlage erscheint. Anleger sollten jedoch genau hinschauen, wem sie ihr Geld anvertrauen und prüfen, ob ihre Vorstellung einer sozialen Wirkung damit wirklich erreicht wird.

Mikrokredite als Entwicklungshilfe

Mikrofinanzierung ist eine in Entwicklungs- und Schwellenländern angebotene Form der Kreditierung von armen Menschen und Kleinstbetrieben mit vergleichsweise kleinen Beträgen. Die Besitzlosen gelten den Banken als nicht kreditwürdig, weil sie keine Sicherheiten bieten können oder weil die Bearbeitung kleiner Kredite oder auch das Verwalten von Sparkonten in entlegenen Dörfern keine Gewinne versprechen. Über Mikrokredite erhalten diese Menschen und Unternehmen Kapital und Zugang zum Finanzsystem.

Privatanleger als Geldgeber

Das für die Mikrokredite benötigte Geld wird auf verschiedenen Wegen unter anderem auch bei Privatanlegern akquiriert. Die Anbieter versprechen eine sozialwirksame Investitionsmöglichkeit mit geringem Risiko. Die Geldanlage kann zum Beispiel über den Kauf von Investmentfondsanteilen, über den treuhänderischen Erwerb von Anteilen an einer Genossenschaft oder über eine organisierte Kreditvergabe direkt an die Kreditnehmer erfolgen.

Investmentfonds, die im Sektor Mikrofinanz investieren, heißen Mikrofinanzfonds. Sie sammeln Geld von Anlegern, um über Mikrofinanzorganisationen vor Ort Mikrokredite zur Verfügung zu stellen. Ein Anleger kauft Anteile an den Mikrofinanzfonds und hat in der Regel Anspruch auf eine jährliche Dividende bzw. Ausschüttung. Ein Verkauf der Fondsanteile ist zum Kurswert möglich.

Eine andere Art der Investition ist der Erwerb von Genossenschaftsanteilen an einer Mikrofinanzorganisation, wie es zum Beispiel die niederländische Genossenschaft Oikocredit anbietet. Der Anleger tritt einem sogenannten Förderverein bei, der in seinem Namen und auf Rechnung des Anlegers Genossenschaftsanteile treuhänderisch erwirbt und verwaltet. Auch hier haben Anleger Anspruch auf eine regelmäßige Dividendenzahlung.

Das von den Privatanlegern investierte Geld wird bei den genannten Investitionsformen nicht unmittelbar als Mikrokredit vergeben, sondern die Anlegergelder werden vom Investor an Mikrofinanzpartner vor Ort als Kredit zur Verfügung gestellt. Die lokalen Mikrofinanzinstitute kreditieren mit dem Geld zum Beispiel den Tischler aus einem Dorf in Bolivien, der seine Produktion ausweiten will oder eine Genossenschaft aus den peruanischen Bergen, die ihren Alpakabauern faire Preise zahlt.

Gut zu wissen

Als Geldanleger sollten Sie sich auch bei Investitionen in Mikrofinanzierung zunächst in jedem Fall mit zwei Fragen beschäftigen:

  1. Entsprechen Laufzeit, Rendite und Risiko meinen Wünschen? 
  2. Teile ich den Ansatz einer Kreditierung von Armen als Beitrag zu einer gerechteren Welt?

Klassische Kriterien der Geldanlage

Eine Investition im Sektor Mikrofinanz ist wie jede andere Geldanlage nach den bekannten Kriterien zu beurteilen: Sicherheit, Laufzeit und Rendite. Als Anleger müssen Sie entscheiden, ob Sie das Risiko dieser Geldanlage zu tragen bereit sind, ob die angebotene Laufzeit zu Ihrem Lebensplan passt und ob der in Aussicht gestellte Zins abzüglich Kosten Ihren Renditevorstellungen entspricht.

Beim Kauf von Mikrofinanzfonds entstehen wie bei jedem Fonds Kosten, die durch Kurssteigerungen erst wieder erwirtschaftet werden müssen. Der Kurswert kann allerdings auch sinken, so dass bei Rückgabe der Fondsanteile unter Umständen weniger als die Investition zurückgezahlt wird. Auch die jährliche Dividende kann schwanken oder ganz ausbleiben.

Ähnlich ist es bei der treuhänderischen Beteiligung an der Genossenschaft Oikocredit. Die Dividende kann niedriger ausfallen als erwartet oder ganz ausbleiben. Die Rückzahlung der Genossenschaftsanteile nach Kündigung erfolgt lediglich zum Bilanzwert, es ist also möglich, dass weniger Geld als investiert zurückgezahlt wird.

Die Risiken im Sektor Mikrofinanz werden gerade in Zeiten von Finanzmarkt- und Staatsschuldenkrise als niedrig, weil unabhängig von den Konjunkturen der globalen Finanzmärkte, beschrieben. Gerne wird auch auf die niedrigen Ausfallquoten bei den Mikrokrediten verwiesen. Die Kehrseite der vergleichsweise verlässlichen Rückzahlung der Mikrokredite ist der soziale und wirtschaftliche Druck, unter dem viele der Mikrokreditnehmer stehen.

Die Renditen für Mikrofinanzfonds und andere Investitionsformen bei Mikrofinanz sind mäßig. Ob dies auf die Kosten für Einrichtung, Management und Verwaltung, auf die Absicherung von Währungsrisiken oder auf das allgemein niedrige Zinsniveau zurückzuführen ist, lässt sich für den Außenstehenden kaum beurteilen. Sicher ist jedenfalls, dass die Zinsen für die Mikrokredite sehr hoch sind, durchschnittlich 35 Prozent werden von den Kleinstkreditnehmern verlangt!

Als Geldanleger werden Sie sich deshalb mit der Frage auseinandersetzen müssen, ob Sie diese marktwirtschaftlich orientierte Form der Entwicklungshilfe unterstützen möchten. Dafür ist es sinnvoll, sich mit der Idee der Mikrofinanzierung näher zu beschäftigen und neben positiven auch kritische Stimmen zur Kenntnis zu nehmen.

Sozialer Mehrwert von Mikrofinanz

Ist Mikrofinanzierung der Ausweg aus der Armut für benachteiligte Teile der Weltbevölkerung? Der Nutzen von Mikrofinanzierung ist zumindest umstritten. Vor allem wird kritisiert, dass mit der Kreditierung von Armen keine nachhaltige Hilfe geleistet, sondern nur eine Verschuldungsfalle aufgebaut wird. Strukturelle Armut würde dadurch nicht beseitigt. Auch würden die Menschen in vormals intakten sozialen Gesellschaften nun in Konkurrenz stehen und vorrangig für die Kreditrückzahlung, aber nicht mehr miteinander arbeiten. Es würde nicht die Unabhängigkeit von Frauen gefördert, sondern im Gegenteil die Unterlegenheit der oftmals weiblichen Kreditnehmer gefestigt. Kinder würden zur Arbeit und nicht in die Schule geschickt, um die Kredite zurückzahlen zu können. Auch machten Geschäftsbanken und Kredithaie mit dem zusätzlich in der Gemeinschaft vorhandenen Geld erst Recht ihre Geschäfte.

Auf der anderen Seite gibt es viele Berichte von erfolgreich aufgebauten Kleinunternehmen und zufriedenen Kreditnehmern, die sich erst mit Hilfe der Minikredite grundlegende Bedürfnisse wie Nahrung und sauberes Wasser erfüllen konnten. Wenn die Mikrokreditvergabe mit einer umsichtigen und verantwortungsvollen Beratung einhergeht, Kreditnehmer in grundlegenden Fragen von Finanzplanung und Betriebswirtschaft geschult werden und auf die persönlichen Umstände und Nöte der Einzelnen Rücksicht genommen wird, so können Mikrokredite das Leid armer Menschen lindern und der Grundstein für eine selbstbestimmte Existenz sein.

Über das Projekt „Gut fürs Geld, gut fürs Klima“

Im Rahmen des Projekts „Gut fürs Geld, gut fürs Klima“ untersuchen die Verbraucherzentralen Hamburg und Bremen regelmäßig Anbieter von nachhaltigen Geldanlage- und Altersvorsorgeprodukten und gehen gegen unseriöse und irreführende Werbung vor. Das bundesweite Projekt wird in Kooperation mit den Verbraucherzentralen Bayern, Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Sachsen und Schleswig-Holstein umgesetzt. Gefördert wird „Gut fürs Geld, gut fürs Klima“ vom Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit im Rahmen der Nationalen Klimaschutzinitiative.

Bücher und Broschüren