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Selbstständige: Steuerbescheid rechtzeitig bei der Krankenkasse einreichen!

Wir erleben es jedes Jahr wieder. Kleinselbstständige sollen Tausende Euro für Ihre Krankenversicherung nachzahlen. Selbst bei winzigen Einkünften fordern die Kassen Höchstbeiträge, wenn der einzureichende Steuerbescheid erst nach der Frist vorliegt. Unsere aktuelle „Patientengeschichte des Monats“ zeigt, wie gnadenlos die Krankenkassen Ihre Versicherten zur Kasse bitten.

Mann mit Skizzenheft in Modeatelier
Stand: 19.10.2023

Bitte beachten Sie, dass dieser Artikel den Stand der Dinge zum Zeitpunkt der Veröffentlichung wiedergibt. Mehr über die aktuelle Rechtslage lesen Sie in diesem aktuellen Beitrag.

Selbst­ständige und Freiberufler können als freiwil­lige Mitglieder in einer gesetzlichen Krankenkasse versichert sein. Wie teuer die Ver­si­che­rung ist, hängt von den tatsächlichen Einkünften ab. Diese ergeben sich aus dem Einkommensteuerbescheid des entsprechenden Jahres. Wer die Frist von drei Jahren zur Abgabe des Steuerbescheids verpasst, soll den Höchstbeitrag von monatlich rund 900 Euro an seine Kasse zahlen. Egal, wie niedrig die Einnahmen waren. Um dies zu vermeiden, muss bis Ende Dezember 2023 der Steuerbescheid für das Jahr 2020 bei der Krankenkasse eingehen.

Werden die Krankenkassenbeiträge übrigens nicht gezahlt, hat das existenzgefährdende Folgen. Der Versicherungsschutz „ruht“ und Monat für Monat türmen sich hohe Säumniszuschläge auf. Und um den Betrag zu pfänden, braucht die Kasse nicht einmal ein Urteil, sie darf sofort vollstrecken. Was das Vorgehen der Kassen für die Betroffenen bedeuten kann, zeigt unsere aktuelle „Patientengeschichte des Monats“:


Herr S. ist als Modedesigner freiberuflich tätig – die Auftragslage und seine Einkommenssituation sind im Vor-Corona-Jahr 2019 gelinde gesagt schwierig. Glücklicherweise findet er im Oktober 2019 eine Anstellung, die ihm mehr finanzielle Sicherheit gibt.

Ende 2022 – nach einer dreijährigen Frist – fordert die Krankenkasse Herrn S. mehrfach auf, seinen Steuerbescheid für das Jahr 2019 einzureichen, denn bis Oktober 2019 war er selbstständig. Auf Grundlage des Bescheids will die Kasse die Höhe seiner Krankenkassenbeiträge nachberechnen.

Herr S. nimmt die Aufforderungen der Kasse nicht so ernst. Auch 2021 hatte die Krankenkasse zum Ende des Jahres Druck gemacht, und trotzdem konnte er seine Steuerunterlagen für 2018 noch bis Mitte Januar vorlegen. Außerdem geht es Herrn S. schon länger gesundheitlich nicht gut. Später wird ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert. Herr S. hat taube Beine und starke Schmerzen. Er schafft es nicht, seinen Steuerbescheid fristgerecht zum Jahresende 2022 einzureichen und vertraut darauf, dass es so laufe wie im Vorjahr.

Doch die Krankenkasse begegnet Herrn S. unnachgiebig. Seinen am 12. Januar 2023 eingereichten Steuerbescheid berücksichtigt sie nicht und fordert stattdessen 5.707, 96 Euro von ihm nach – den Höchstbeitrag für gut neun Monate abzüglich der geleisteten Vorauszahlungen. Herr S. legt sofort Widerspruch ein. Wird gegen einen Bescheid Widerspruch eingelegt, muss die Kasse die Angelegenheit dem sogenannten Widerspruchsausschuss vorlegen, der darüber zu entscheiden hat.

Am 17. Februar wird Herr S. von seiner Kasse über die Aussichtslosigkeit seines Widerspruchs belehrt, und es wird ihm nahegelegt, diesen zurückzunehmen. Sie suggeriert die Aussichtslosigkeit des Rechtsmittels: „Unsere Entscheidung dürfen wir nicht zurücknehmen.“

Wir halten das Schreiben der Krankenkasse für eine unzulässige Einflussnahme und im rechtlichen Graubereich angesiedelt. Denn das Widerspruchsverfahren ist notwendig, um die Sache vor Gericht bringen zu können. Danach gibt es keine Möglichkeiten mehr, hiergegen vorzugehen.

Anke Puzicha, Juristische Patientenberaterin der Verbraucherzentrale Hamburg

Herr S. hat sich mittlerweile von der Verbraucherzentrale beraten lassen. Auch über den Widerspruch wurde bereits – ablehnend – entschieden. Im Juni 2023 hat er Klage vor dem Sozialgericht eingereicht.

Unser Standpunkt

Mit Wirkung seit dem Jahr 2022 haben Selbstständige laut Gesetz nur noch drei Jahre Zeit, ihren Steuerbescheid bei der Krankenkasse einzureichen. Tun sie dies nicht, fordert die Kasse den Höchstbeitrag von rund 900 Euro. Eine schreiende Ungerechtigkeit!

Im Widerspruchsverfahren nachgereichte Steuerbescheide sind unserer Auffassung nach selbstverständlich zu berücksichtigen. Auch das Bundesministerium für Gesundheit zeigt mittlerweile gewisse Zweifel an der Rechtmäßigkeit der aktuellen Norm. Im Zuge einer „Kleinen Anfrage“ wusste die Bundesregierung zu berichten, dass das Ministerium die geltenden Regeln zur Beitragsfestsetzung bei Selbstständigen prüft.