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Wofür wird Ethylenoxid verwendet und wie gefährlich ist der Stoff?

Was ist das für ein Schadstoff, der in letzter Zeit zu so vielen Rückrufen – vor allem von Produkten mit Sesam, Johannisbrotkernmehl und Guarkernmehl – geführt hat? Wir beantworten die wichtigsten Fragen zu Ethylenoxid.

Löffel in Sesamschale

Das Wichtigste in Kürze

  1. Zuletzt gab es von Herstellern immer wieder Rückrufe von Lebensmitteln, in denen Ethylenoxid nachgewiesen wurde. Betroffen waren vor allem Sesam und sesamhaltige Erzeugnisse, aber auch Produkte mit Johannisbrotkernmehl (E 410) und Guarkernmehl (E 412).
  2. Ethylenoxid ist ein Pflanzenschutz- und Begasungsmittel. Als Desinfektionsmittel wirkt es gegen Pilze und Bakterien. In Deutschland ist es im Lebensmittelbereich seit 1981 verboten. Der Stoff kann das Erbgut verändern und Krebs erzeugen.
  3. Im medizinischen Bereich darf Ethylenoxid bei der Sterilisation von Produkten wie Teststäbchen zum Einsatz kommen, wenn sichergestellt wird, dass der Grenzwert für Ethylenoxid-Rückstände nach der Anwendung nicht überschritten wird.
Stand: 29.01.2024

Die krebserregende Verbindung Ethylenoxid sorgte in jüngster Vergangenheit immer wieder für Schlagzeilen. Auch jetzt noch rufen Hersteller hin und wieder belastete Lebensmittel zurück, in denen der Schadstoff nachgewiesen wurde. Was ist da los? Wir geben Antworten auf die wichtigsten Fragen.

Was ist Ethylenoxid?

Ethylenoxid ist ein Pflanzenschutz- und Begasungsmittel. Als Desinfektionsmittel wirkt es gegen Pilze und Bakterien. Es ist bei Raumtemperatur gasförmig und farblos. In der Europäischen Union (EU) darf Ethylenoxid seit 1991 nicht mehr in Pflanzenschutzmitteln enthalten sein. In Deutschland ist es sogar schon seit 1981 verboten. Auch in Kontakt mit Lebensmitteln darf das Gas nicht verwendet werden.

Wie gefährlich ist Ethylenoxid?

Ethylenoxid kann das Erbgut verändern und Krebs erzeugen. Aus diesem Grund schreibt das BfR: „Einen Richtwert ohne Gesundheitsrisiko gibt es somit nicht und Rückstände des Stoffes in Lebensmitteln sind grundsätzlich unerwünscht.“ Bei einer täglichen Aufnahme von 0,037 Mikrogramm pro Kilogramm Körpergewicht beschreibt das Bundesinstitut ein um unter 1:100 000 erhöhtes Krebsrisiko, diese Menge wird daher als „Aufnahmemenge geringer Besorgnis“ bezeichnet.

Das ist ein sehr theoretischer Wert. Deshalb hat das BfR ihn auf Sesam umgerechnet: Die Aufnahmemenge geringer Besorgnis wurde für Kinder bei einem Sesamverzehr von 23,4 Gramm pro Tag bereits bei einem Rückstand von Ethylenoxid von nur 0,05 mg/kg überschritten. Bei Erwachsenen lag die Aufnahme bei 39,6 Gramm pro Tag unter der Aufnahmemenge geringer Besorgnis. Betrachtet man den mittleren Verzehr über längere Zeiträume, wird dieses Level weder bei Kindern noch bei Erwachsenen überschritten.

Was aus unserer Sicht aber nicht berücksichtigt wird: Lebensmittel sind teilweise viel höher belastet als nur mit 0,05 Milligramm pro Kilogramm und Verbraucherinnen und Verbraucher können auch durch den Verzehr vieler weiterer Lebensmittel Ethylenoxid aufnehmen.

Zudem haben Untersuchungen gezeigt, dass Ethylenoxid bei der Anwendung praktisch vollständig in den Stoff 2-Chlorethanol umgewandelt wird. Da es nach einer Stellungnahme des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) auch für 2-Chlorethanol aus Tierstudien Hinweise auf eine erbgutverändernde Wirkung gibt, wird dieser Stoff genauso behandelt wie das Ethylenoxid selbst. Der in der EU zulässige Rückstandshöchstgehalt von 0,05 Milligramm Ethylenoxid je Kilogramm Lebensmittel bezieht sich deshalb auf die Summe von Ethylenoxid und 2-Chlorethanol.

In welchen Lebensmitteln findet man Ethylenoxid?

Seit September 2020 wurde Ethylenoxid vor allem in Sesam und sesamhaltigen Produkten wie Tahin, Müsli, Knäckebrot, Gebäck, Sesamöl oder Salattoppings nachgewiesen. Besonders stark belastet war Sesam aus Indien – mit 500-mal mehr Ethylenoxid als erlaubt. Eine Verpflichtung zur Angabe des Ursprungs von Zutaten gibt es bei Sesam oder Sesamprodukten nicht, sodass auf dem Etikett die Herkunft des Sesams nicht zu erkennen ist.

Weiterhin wurden vor allem Lebensmittel zurückgerufen, die mit Ethylenoxid belastetes Johannisbrotkernmehl (E 410) oder Guarkernmehl (E 412) enthielten. Die beiden Stabilisatoren werden vielen Fertigprodukten wie Back- und Fleischwaren sowie Konfitüren bzw. Fruchtaufstrichen beigefügt. Das Unternehmen Mars beispielsweise musste eine Vielzahl von Eissorten (Twix, Bounty, Snickers und M&M’s) zurückrufen, weil mit Ethylenoxid belastetes Johannisbrotkernmehl verarbeitet worden war. Doch auch in Kaffee und Gewürzen wurde der Schadstoff schon nachgewiesen.

Im Jahr 2021 hatte die Überwachungsbehörde CVUA insgesamt 135 Proben mit Nahrungsergänzungsmitteln, Pflanzenpulvern und Kapselhüllen unter die Lupe genommen und eine mögliche Belastung mit Ethylenoxid und 2-Chlorethanol untersucht. 24 Proben waren auffällig, da der Rohstoff Cellulose wohl unzulässigerweise mit Ethylenoxid begast wurde. Betroffen sind besonders Kapseln mit Moringa- oder Gerstengraspulver, Kaktusfeigen- und Ashwagandha-Pulver (Schlafbeere) sowie vegane Kapselhüllen aus Hydroxypropylmethylcellulose (HPMC, E 464).

Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit stellt auf dem Portal www.lebensmittelwarnung.de aktuelle Produktrückrufe zusammen. Auf der Website www.produktwarnung.eu kann man nach belasteten Produkten suchen.

Wir befürchten, dass viele Lebensmittel in Deutschland trotz Belastung mit Ethylenoxid nicht zurückgerufen werden. Es werden in der Regel nur stichpunktartige Kontrollen durchgeführt; erst bei auffälligen Proben werden systematisch weitere Produkte der entsprechenden Lebensmittelgruppe unter die Lupe genommen.

Gut zu wissen

Die Verbraucherorganisation Foodwatch hat eine E-Mail-Aktion gestartet, um Druck auf die Politik auszuüben. Mit Ihrer Unterschrift können Sie die Kampagne unterstützen und die Verbraucherschutzministerinnen und -minister zum Handeln auffordern. Aktuell haben 57.733 Menschen unterschrieben (Stand: 29.01.2024). ⇒ Zur E-Mail-Aktion »Ethylenoxid: Raus aus den Regalen!« von Foodwatch

Sind Bio-Produkte auch mit Ethylenoxid belastet?

Ja, auch Bio-Produkte können mit Ethylenoxid belastet sein. Bei einer Untersuchung der Zeitschrift Öko-Test sind etliche Sesam-Knäckebrote mit Bio-Siegel negativ aufgefallen. Meist wurden jedoch nur Spuren von Ethylenoxid gefunden, sodass die Kontamination beispielsweise auch durch Container verursacht worden sein könnte, in denen zuvor belastete Waren transportiert wurden.

Was kann/muss ich tun, wenn ich ein belastetes Produkt zu Hause habe?

Falls Sie zurückgerufene Lebensmittel zu Hause haben, sollten Sie diese im Handel zurückgeben oder entsorgen. In der Regel wird Ihnen der Kaufpreis auch ohne Beleg erstattet. Wichtig ist es, die Chargennummer oder das Mindesthaltbarkeitsdatum zu prüfen, weil häufig nur bestimmte Produktionsmengen belastet sind.

Warum ist Ethylenoxid in Lebensmitteln enthalten, obwohl es verboten ist?

Außerhalb der EU kommt Ethylenoxid in einigen tropischen Ländern zum Einsatz, um Bakterien oder Pilze zu bekämpfen. Vor allem Indien ist in den letzten Monaten als Ursprung vieler belasteter Lebensmittel oder Zutaten aufgefallen. Durch den Import dieser Produkte kann Ethylenoxid auch nach Europa gelangen. Aus diesem Grund wurden die Kontrollen an den EU-Außengrenzen verschärft. Seit November 2020 müssen beispielsweise 50 Prozent der Importe aus Indien bei ihrer Einfuhr kontrolliert werden. Zusätzlich muss ein negativer Ethylenoxid-Nachweis beim Import indischer Lebensmittel vorgelegt werden.

Welche Grenzwerte gibt es für Ethylenoxid?

Lebensmittel dürfen nur dann in Verkehr gebracht werden, wenn keine Rückstände von Ethylenoxid nachgewiesen werden. Die kleinste Menge, die derzeit bestimmt werden kann, ist 0,05 Milligramm pro Kilogramm. Dieser Werte wurde bei einigen Lebensmitteln zum Teil um ein Vielfaches (bis zu 500-fach) überschritten. 

Was ist mit Ethylenoxid in Teststäbchen für Corona-Schnelltests?

Im medizinischen Bereich kommt Ethylenoxid bei der Sterilisation von Produkten wie Teststäbchen zum Einsatz. Das ist am blauen Symbol „STERILE EO“ auf der Verpackung von Produkten zu erkennen. Nutzen Hersteller diese Methode, um Keime abzutöten, müssen sie die Produkte im Anschluss so lange „auslüften“ lassen, bis sich das Gas verflüchtigt hat und der Grenzwert für Ethylenoxid-Rückstände nicht mehr überschritten wird. Erst, wenn ein Unternehmen der zuständigen Gesundheitsbehörde nachweisen kann, dass sein Produkt ordnungsgemäß geprüft wurde, erhält es eine CE-Kennzeichnung. Diese bedeutet, dass von dem Produkt keine Gefahr ausgeht. Im Herstellungsprozess wird also sichergestellt, dass die Stäbchen nach der Sterilisation kein Ethylenoxid mehr enthalten.

Danke für Ihren Hinweis!

Sie haben weitere Fragen zum Thema Ethylenoxid, die wir beantworten sollen? Schreiben Sie uns! Wir erweitern diesen Informationsartikel gerne um wichtige Aspekte.

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